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Vom Warten

Bild: Dall-E Prompt: Christian Spließ

Wir bereiten uns nicht darauf vor. Wir haben es auch nicht als Ziel. Aber es passiert uns ständig: Das Warten. Warten, weil die Bahn mal wieder Verspätung hat. Warten, weil sich das Gegenüber verspätet. Warten, weil man den Spaziergang nicht im Regen machen möchte. Warten. Warten. Warten.

Warten stößt uns zu. Wir sind gezwungen zu warten. Wir warten in der Arztpraxis nicht, weil wir uns das ausgesucht hätten – trotz des Termins. Wir würden am liebsten sofort drangenommen werden, damit wir die Prozedur hinter uns haben. Wir mögen diesen Zwischenraum gar nicht, der sich hier auftut.

Wir haben es nicht mehr gelernt zu warten. Denn wir müssen immer ständig produktiv sein. Das hat uns die Gesellschaft gelehrt: Wer nicht tätig ist, ist faul. Faulheit führt zu keinen guten Dingen. Warten ist uns daher unangenehm. Deswegen zücken wir das Smartphone, deswegen lesen wir die Zeitschriften im Wartezimmer. Während wir warten, können wir wenigstens etwas Nützliches tun. Dann ist die Zeit nicht verschwendet. Zeit haben wir ja nie genug, deswegen sollten wir ja auch die Zeit sparen. Allerdings: Zeit sparen wofür?

Das ist eine Frage, die Michael Ende sich in „Momo“ stellt. Die Grauen Herren überreden hier die Menschen zum Zeit sparen. Sie reden von Zinsen und davon, was man später alles mit der Zeit anfangen könnte. Wenn man jetzt produktiver ist, dann zahlt sie das irgendwann aus und später kann man dann mit der aufgesparten Zeit etwas anfangen. Was genau aber verraten die Grauen Herren einem nicht. Warten wäre für sie tatsächlich die reinste Verschwendung und im Roman sieht man auch, was daraus folgt: Eine straff nach Zeit angelegte Gesellschaft, in der kein Raum mehr für die Dinge bleibt, die eigentlich wichtig sind.

Wenn wir mal ehrlich sind: So weit weg davon ist Manche*r von uns gar nicht. Wie oft stöhnen wir über einen durchgetakteten Tag, über sich jagende Termine, über den Freizeitstress und selbst im Urlaub läuft man von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten ohne sie wirklich gesehen zu haben. Man will ja etwas haben von seiner Zeit. Da stört das Warten natürlich. Es stört sehr.

Und das ist gut so. Zwar freuen wir uns selten über aufgezwungene Pausen, aber sie erinnern uns  daran, dass es im Alltag mehr gibt als nur das Diktat der Grauen Herren. Nicht umsonst ist es eine Schildkröte, die Momo zu Horla, dem Herren der Zeit führt. Immer wieder muss Momo innehalten, die Grauen Herren sausen an ihr vorbei ohne sie zu finden. Warten, so lernt Momo, hat seine Vorteile. Wir müssen nicht immer produktiv sein.

Zudem sind wir nicht Herren über unsere eigene Zeit. Das würden uns die Grauen Herren gerne einreden, die auch in unserer Gesellschaft vorhanden sind. Aber das wußte der Beter des Psalms 139 schon: „Meine Zeit steht in deinen Händen“. Und Jesus bekräftigt das im Gleichnis des reichen Bauern mit der Scheune. Da sind zwar alle Scheunen gefüllt und der Wohlstand für später gelegt, aber im Gleichnis lässt Jesus Gott sagen: „Du Narr! Noch heute Nacht wirst du sterben. Und was hast du dann von all den Dingen?“

Wartezeit ist leere Zeit. Wir denken, wir müssten sie auffüllen. Mit allem Möglichen. Aber was, wenn Wartezeiten ein Hinweis von Gott an uns sind? Wenn Gott uns sagen möchte: „Hey, jetzt zwischen all den Terminen kannst du dich um dich kümmern? Du könntest einige Atemübungen machen. Du könntest schauen, wie du deinen Körper wahrnimmst. Du könntest über einen Bibelvers nachdenken oder sogar mit mir reden.“ Ja, was wäre, wenn Wartezeiten so gedacht sind?