Es heißt SOCIAL Media, nicht TECHNICAL Media.

Externe Kulturblogs sind nicht tot, Herr Kopp.

Ich habe lange mit mir gehadert ob der Blogeintrag von Axel Kopp zum Thema „Schließung des Dacapo-Blogs“ von mir kommentiert werden darf und sollte – aber zu Allgemeinplätzen, die nicht Firmengeheimnisse betreffen kann ich natürlich aus meiner persönlichen Sicht, nicht aus der Sicht des Webteams!, etwas sagen.

Erstens: Die These dass externe Kulturblogs überflüssig und obsolet sind finde ich zu steil. Ja, Dacapo als Blog ist geschlossen worden. Die Schließung aber und die Reaktion darauf beweist, dass das Blog keineswegs langweilig, überflüssig oder blöd geschrieben war. Wäre es so, wäre das Ereignis der Saison-Eröffnung der Philharmoniker deutlich mehr diskutiert worden. Ja, ein Blog hat geschlossen. Es war auch nicht „extern“ – es war ein Fenster ins interne Leben des Orchesters. Dass diverse Ziele vielleicht nicht erreicht wurden mag sein. Aber was ist denn ein internes Blog, Herr Kopp? Für mich wäre das eines, das für Firmenmitarbeiter einen internen Austausch bietet – und würde damit in die Enterprise 2.0-Schiene passen. Ein internes Blogs wäre sicherlich auch passwortgeschützt. Beides traf auf Dacapo nicht zu. Insofern: Sie irren, Herr Kopp – und ich sehe auch nicht, dass Sie im Text selbst genauer definiert hätten was ein internes Blog nun sein soll. Vermutlich eines, das als „Magazin“ auf der Webseite eingebettet ist? Aber was verstehen Sie denn bitte unter einem Blogmagazin? Ein Kundenmagazin in Printform überführt in ein Blog? Haben Sie sich Dacapo wirklich intensiv angeschaut? Denn ich behaupte: Genau das ist Dacapo gewesen – ein Kundenmagazin mit Mehrwert für die Besucher, mit Links auch immer auf externe Quellen soweit sie passten und ob die Texte nun reine Lobhudeleien waren oder nicht doch eher Hintergründe vermitteln wollten – dazu kann ich nun leider nichts sagen. Aber ich stehe dazu: Dacapo war ein Kundenmagazin. Es war nicht perfekt. Es hatte aber immer eine gewisse Neugierde, einen gewissen Charakterzug. Nennen Sie mir bitte ein Kundenmagazin, dass genau diese Dinge vereint. Im Endeffekt sind gedruckte Kundenmagazine nämlich dann genauso „langweilig“ wie Sie weiter unten es anderen Corporate Blogs vorwerfen – auch wenn Sie sagen, es wären nicht alle schlecht.

(Einschub: Eine Blogschließung kann übrigens auch viele Gründe haben. Dass der Betreuer geht, der bisher fürs Blog zuständig war könnte eine weitere sein. Daneben gibt es sicherlich noch andere Gründe als nur das reine „Desinteresse“ der Lesenden. Machen Sie es sich da nicht zu leicht, wenn Sie nur auf diese Tatsache abheben? So generell? Und woran machen Sie es fest, dass ein Blog geschlossen ist? Die Schlagdichte der Beiträge nimmt ab. Gut, ja, das heißt aber erstmal noch nicht, dass das Blog tot ist. Ich hätte hier gerne auch eine bessere Differenzierung von Ihnen. Die im Posting finde ich nicht befriedigend.)

Zweitens: Sicherlich ist Dacapo nach drei Jahren nicht mehr neu gewesen – man muss aber definieren was Neu denn nun ist. Dass das Blog als Informationsanlaufstelle zum Mainstream-Medium geworden ist, das ist nichts Schlechtes. Innerhalb der drei Jahre ist aber die Technik verändert worden – nun kann man sich streiten ob das Layout eines Blogs immer und ständig verändert werden muss. Sie übersehen aber die zahlreichen Impulse, die auch während der drei Jahre immer wieder vom Blog ausgingen – die Begleitung des Aufbaus der Orgel etwa wäre ohne Dacapo nicht möglich gewesen, Liveberichterstattung während des Konzerts waren zwar Ausnahmen, sie fanden aber statt. Welches Orchester hat dies in den letzten drei Jahren per Twitter getan? Nichts gegen die Berliner Concerthall, aber das ist eher der Weg des Fernsehens. Es gab viele Anstöße und viele fruchtbare Diskussionen. Allein schon die Verabschiedung Jonathan Darlington wird man als Zeitungsleser nicht im Detail mitbekommen haben – im Blog hatten wir eine ganze Reihe dazu.

Ja, Dacapo war ein Corporate Blog. Sicherlich trifft die Kritik auf viele Blogs in dem Bereich zu, dass diese langweilig geschrieben sind und keinen interessierten. War das bei Dacapo der Fall? Waren Konzerthintergründe, Infos über das Orchester tatsächlich so langweilig? Wenn das der Fall wäre, warum dann die Empörung? Und die Steigerung der Auslastung – ein Fakt, den man beweisen kann übrigens – ist sicherlich auch mit dem Interesse am Blog bekundet. Dass Blogs generell nicht viele Kommentare haben, weil Leute sich vielleicht eher auf Twitter oder Facebook melden – zugegeben. (Dass das Webteam immer noch bei Twitter und Facebook aktiv ist, unterschlagen Sie übrigens.) Doch wo laufen diese Fäden denn zusammen wenn es kein Blog gibt? Wo ist denn der Platz für lange Geschichten? Bei Twitter mit 140 Zeichen? Facebook mit 420? (Und die Notizen lasse ich mal nicht gelten, Blogs sind weitaus flexibler als das.) Richtig: Dacapo hatte das Ziel, das Orchester bekannt zu machen. Ob dieses Ziel erreicht worden ist oder nicht kann man durchaus in Frage stellen, sicherlich.

Sie denken, der „klassische Blog“ mit Hintergrundinfos und Marketingcharakter habe ausgedient. Ich denke: DAS Blog mit Hintergrundinformationen lebt gerade in Hinsicht auf das Transmedia Storytelling auf. Dacapo war ein wichtiger Teil des Marketingmixes neben Twitter und Facebook – und dass „es noch E-Mail, Telefon, Briefe und nicht zuletzt den persönlichen Kontakt“ gibt und wenig in Kulturblogs kommentiert wird mag sein. Doch das Problem liegt nicht daran, dass es die Leute nicht interessiert – es liegt einfach daran, dass Kulturblogs trotz aller Bemühungen ein Nischenangebot darstellen. Fußballberichterstattungen kommen im Öffentlich-Rechtlichen halt leider mehr vor als die Übertragung des Tristan aus Bayreuth. Das ist so. Gerade deswegen aber brauchen wir auch Blogs, die Blicke hinter die Kulissen bieten und die nicht wie Kundenmagazine ihr Profil verwässern. Blogs, die informieren. Blogs, die ein Guckfenster darstellen in die Welt der Menschen, die ihren Job mit einer Präzision machen, vor der man sich verneigt – und die das Publikum begeistern kann. Das klassische externe Kulturblog kann kein Kundenmagazin ersetzen. Und selbst die beiden angesprochenen Beispiele sind meiner Meinung nach keine „Kundenmagazine“ – sie sind ironischerweise genau das, was Dacapo war. Sie sind halt nur in die Webseite eingebaut – ich sehe da keinen Unterschied wenn ich mir die Schlagzeilen des Blogs vom DDR-Museum anschaue. Auch hier ist Marketing im Gange. Zudem: Was passiert eigentlich, wenn die Hauptseite mal nicht erreichbar sein sollte? Gute Frage…

10 Antworten zu „Externe Kulturblogs sind nicht tot, Herr Kopp.”.

  1. Frank Tentler

    Danke Christian für deinen direkten Input. Ich weiss, es ist schwierig in einer solchen Situation überhaupt etwas zu sagen, aber das von einem Experten direkt aus der Arbeit zu hören, sollte auch anderen Kulturbetrieben den Mut geben, ein Blog zu nutzen. Es ist noch immer DAS Medium auf den Weg ins Social Web

  2. Axel Kopp

    Kaum steht im Kulturbereich etwas vor dem Aus, stehen auf einmal alle auf der Matte. Selbst die, die sich vorher nicht mal im Mindesten dafür interessiert haben. Das war bei der halb abgebrannten Anna Amalia Bibliothek nicht anders als bei der drohenden Schließung des Schauspielhauses in Wuppertal. Und jetzt steht das dacapo-Blog vor dem Haus. Das darf natürlich nicht sein! Niemals! Nicht mit uns! Man darf doch kein Marketing-Instrument wegrationalisieren! Und schon gar nicht dürfen wir das den Philharmonikern selbst überlassen!
    Vielleicht ein Vorschlag zur Beruhigung der Gemüter: Wie wäre es, wenn wir dem dacapo-Blog ein Museum bauen? Mitten in Duisburg. Da gibt es doch eh genug Leerstand! Wir drucken alle Beiträge aus, rahmen sie golden ein und konservieren sie im Museum. Zeitzeugen wie Frank Tentler und Christoph Müller-Girod stellen wir an, um Führungen zu geben. Wäre das ein Kompromiss?
    Spaß beiseite. Warum die Schließung von dacapo so viel Aufmerksamkeit in der Kultur-Web-Szene bekommt? Ganz einfach: weil eine gute handvoll Leute wie Frank Tentler ihre Web-Popularität in den vergangenen Tagen dafür genutzt haben, um Mitstreiter zu finden. In der Politik würde man das „Agenda Setting“ nennen. Wie Frank ja selbst schreibt, war er drei Tage lang „keuleschwingend und provozierend“ unterwegs. Wenn jemand so viele Freunde und Follower hat wie er, wird es ihm leicht fallen, Unterstützer zu finden. Wenn „Frank und Konsorten“ sich nicht so ins Zeug gelegt hätten, wäre das dacapo-Blog sang- und klanglos gestorben.

    Ich denke nicht, dass wir in erster Linie bessere Blogs oder mehr Informationen benötogen. Ich denke, dass wir bessere Kulturangebote brauchen. Und mit „besser“ meine ich in diesem Fall, Kulturangebote, die auf die jeweiligen Zielgruppen abgestimmt sind. Angebote, bei denen Stücke von Bach, Beethoven & Co. so interessant aufbereitet werden, dass der Funke automatisch überspringt. Bislang wird ja eher versucht, jungen Leuten den Funken einzubrennen (Ist das dann Branding?).

    Weil offensichtlich Verständnisschwierigkeiten herrschen, noch ein paar erklärende Worte: Ein „externes Blog“ aka „Stand alone Blog“ ist nicht in die Website eingebunden, sondern hat eine eigene Second-Level-Domain (z.B. http://www.museumsblog.de). Ihm entgegen steht das in Website eingebundene/eingebettete/integrierte Blog, das Bestandteil der Website ist und dort einen eigenen Pfad hat (z.B. http://www.museum.de/museumsblog). Hätte man sich auch denken können.
    Der Begriff „Magazin“, war in dem Zusammenhang nur ein Behelfsbegriff für ein „thematisches Blog“, das sich mit einem Thema befasst (z.B. der „Bildenden Kunst“) und sich nicht nur auf die eigenen Veranstaltungen bzw. die eigene Organisation bezieht, sondern auch über Events, Ausstellungen, Aufführungen usw. von anderen Häusern schreibt. Ein solches Blog steht demnach einer Tageszeitung näher als einem Kundenmagazin. dacapo war hingegen großteils organisationszentriert (liegt ja in der Sache der Natur). Mein Beispiel mit dem Schirn Mag war zugegebenermaßen auch nicht das Beste aller Zeiten, da auch das Schirn Mag sich weitgehend auf sich selbst bezieht.
    Der Albernheit den Begriff „Blogschließung“ zu definieren, werde ich nicht nachgeben. Da reicht der Menschenverstand.
    Was ich auch schön finde: Mit dem Begriff „Transmedia Storytelling“ scheint mal wieder ein neues Buzz Word gefunden worden zu sein. Es ist neu, unverbraucht und bietet jede Menge Interpretationsfreiheit. Ideal, um dem Kulturamt bisschen Geld aus der Tasche zu locken. Wenn man dann noch „Cloud Community“ erwähnt, gibt‘s sicher doppelt so viel Kohle!

    1. Prospero

      Wer es nötig hat persönliche Angriffe gegen das äußerst engagierte Webteam – und damit auch gegen mich – zu fahren, dann einen Kritikton drauf hat der alles andere als sachlich ist – der ist für mich in keinester Weise kritikwürdig.
      Und wenn Sie vorher im Blog schon erklärt hätten was Sie eigentlich meinen wären meine Nachfragen bestimmt nicht nötig gewesen – aber verzeihen Sie: Ich stehe nicht auf der Matte weil es um Dacapo geht. Ich stehe auf der Matte weil Sie aus einem Einzelereignis – so betrüblich das für mich auch ist und die Philharmoniker ziehen sich seit heute komplett aus allen Social Web Kanälen zurück – auf eine Gesamtsituation schließen, die so nicht gegeben ist.

      Sachlicher Ton, Herr Kopp bringt alle weiter in dieser Debatte. Aber wenn Sie derartig reagieren dann habe ich offenbar ja doch mit meinen Gedanken voll ins Schwarze getroffen. Man kann über alles reden, aber ich rede nicht mit Ihnen – und wenn Sie sich mal die Mühe machen zu recherchieren werden Sie feststellen, dass ich nicht bei allen Projekten, die zu Ende gingen auf der Matte stehe und sie verteidige – machen Sie nur weiterhin Direktmarketing per Brief, Email, Twitter und Facebook wenn Ihnen das so wichtig ist. Meinetwegen auch GooglePlus und was es da sonst noch so gibt.

      Wie geschrieben: Ob die Inhalte nun von Ihnen so schön definiert extern sind, eine eigene URL haben, die intern auf der Seite angezeigt wird – das ist Technik. Das ist überhaupt nicht wichtig und ich weiß gar nicht warum Sie da so drauf rumreiten müssen. Das ist eine Frage des Stils und des Geschmacks. Es sind die Inhalte, die zählen. Und da gibt es, das habe ich aber auch zugestanden, durchaus gähnend langweilige Blogs. Was aber das DDR-Museumsblog von Dacapo generell unterscheidet – das ist die Frage. Denn auch das ist „organzentriert“.

      Aber schön – wenn Sie unbedingt meinen es besser zu wissen als jemand, der seit 2001 bloggt, bitte. Die Gedanken sind frei und was ich über Sie momentan denke, schreibe ich garantiert hier nicht hin.

  3. Und nun? | cdv!

    […] einige Fakten mehr durchblicken ließ, sogar etliche, die durchaus nachvollziehbar sind. Die Kritik an der Kritik überzeugt mich aber nicht so richtig, die Argumente sind mir doch etwas zu […]

  4. Christian Gries

    Dazu auch meine Meinung: „Der Kultur-Blog ist tot? Es lebe der Blog!“: http://blog.iliou-melathron.de/index.php/2011/09/der-kultur-blog-ist-tot-es-lebe-der-blog/

  5. Christian Henner-Fehr

    Sorry, aber Ihr streitet jetzt über Nebensächlichkeiten. Wie gesagt, ob es sich um ein externes oder internes Blog handelt ist egal, wenn die Inhalte langweilig sind.

    Am Ende geht es doch auch gar nicht um die Frage, ob ein Blog zugesperrt werden darf oder nicht (natürlich darf man das), sondern warum es geschlossen wird und unter welchen Umständen.

    Im Fall Duisburg geht es um Machtkämpfe. Machtkämpfe, die sich auch an der Frage, wer sein Auto auf welchem Parkplatz parken darf, entzünden hätten können.

    Ein Kommunikationskanal wie ein Blog widerspricht vom Grundprinzip her streng hierarchischen Strukturen und wird von den Mächtigen als Bedrohung empfunden. Beispiele dafür kennt Ihr, Christian und Axel alle beide. :-)

    Jede Kultureinrichtung hat das Recht, ihr Blog zu schließen, keine Frage. Aber dieses Recht darf sie nur in Anspruch nehmen, wenn danach was besseres nachkommt. Und damit meine ich nicht den brandneuen Beitrag auf der Website, der mich darauf aufmerksam macht, dass in Duisburg mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen ist. Dafür gibt es den Verkehrsfunk.

    Nein, wer aus Kommunikation 2.0 wieder 1.0 macht, handelt fahrlässig und hat den ersten Schritt in eine Richtung getan, an deren Ende die Schließung steht. Wenn in ein paar Jahren in NRW die Fusion oder Schließung der Duisburger Philharmoniker diskutiert wird, denkt an mich. ;-)

    1. Prospero

      Die Fusion gibts doch schon: Das Orchester ist doch auch gleichzeitig das der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf – und umgekehrt gibts ja auch die Opern dann hier im Theater. :-)
      Ich stimme dir zu – ein Blog zu schließen ist das Recht jeder Einrichtung. Es kommt halt nur nichts nach und es scheint auch nichts geplant zu sein. So ist das dann halt und auch Gespräche mit höheren Stellen werden am Imageschaden nichts ändern.
      Vorerst wird sich jedenfalls nichts ändern: Die Abonnenten werden weiterhin die Konzerte besuchen, die Besucherzahlen werden nicht einfach einbrechen nur weil man keine Infos mehr über Twitter bekommt. Die Papierausschneide-Dienste werden weiterhin ab und an mal einen Zeitungsartikel archivieren, es werden weiterhin Plakate gedruckt werden und Handzettel verteilt werden. Aber die Uhr tickt auch fürs Orchester, 2014 ist das Jahr in dem über das liebe Geld neu verhandelt werden wird. Es mag sein, dass es reicht wenn man bis dahin eine eindrucksvolle Pressemappe mit Zeitungsartikeln vorweisen kann. Bis dahin allerdings hat man erstmal eine Saison ohne GMD – das wird definitiv bei den Nicht-Abonnenten spürbar sein, ob die Konzerte diese Saison alle ausverkauft sein werden wage ich zu bezweifeln. Selbst wenn, es erfährt ja keiner. ;-) Aber gut – ich bin nicht mehr für das Orchester tätig und kann daher gelassen 2014 entgegensehen….

  6. Kultur 2.0 » Ein Blog zeigt Wirkung – Corporate Blogs sind nicht am Ende

    […] Christian Spließ Externe Kulturblogs sind nicht tot Herr Kopp […]

  7. Burkhard Rosskothen

    Wirklich sehr hitzig hier! Mir fällt dazu ein, daß ich mit dem Blogengagement der Duisburger Philharmoniker zum ersten Mal in meinem Leben einen Radiosender eingeschaltet habe, den ich erst suchen mußte, zum erstenmal im Wohnzimmer abends gesessen habe und ein Konzert gehört habe und danach mit dem Dirigenten direkt gechatet habe! Tatsächlich habe ich aber noch nie eine Eintrittskarte gekauft und war vor Ort im Konzert. Wäre ich aber irgendwie in der Nähe und hätte Lust auf ein Konzertabend, würde ich mir den Spaß gönnen und zu den Duisburgern gehen. Das braucht aber die Gelegenheit. Diese Gelegenheit hätte man ein bißchen fördern können. Durch klassisches Marketing: z. B. Konzert und Übernachtung im Hotel mit Treffen der Philarmoniker – Paketpreis. Hätte ich mir überlegt. Oder bei der Start Konferenz ein Konzert terminiert mit Einladungskarte der Teilnehmer zum Sonderpreis. Usw, usw… Da hat wohl ein wenig Kreativität gefehlt auf der klassischen Marketingseite. Ich selbst fand Duisburg Innenstadt extrem trostlos. Ich würde nie mal so dort hinfahren. Ich denke Duisburg braucht solche Anknüpfungspunkte und vor allem ein Zusammenarbeiten von Stadtmarketing, Tourismuszentrale und solchen Kulturangeboten. Es gibt Leute die fahren nach Bad Segeberg nur um Winnetou zu sehen!

    Die ganze Aufregung um die Schließung des Blogs Dacapo ist sehr meinungsgeprägt. Frank Tentler schrieb mal, daß er Zugriffszahlen der ganzen Jahre hat. Mir fehlen ein bißchen die Fakten in der Diskussion um Sinn oder Unsinn von Corporate Blogs. Im Kern müssen doch Zielsetzungen mit dem Kunden besprochen werden. Diese angepeilt und deren Erreichung überprüft werden. Das ist die Arbeit von Corporate Blogs. Mir scheint mit der Sicht von Außen, das Problem in der fehlenden, gemeinsam getragen Strategie zu liegen. Der Intendant hat ja wohl eher den Blick auf die verkauften Eintrittskarten und ihm fehlt der Blick auf große Zusammenhänge. Zumindest wirkt es so von außen. Das erlebe ich übrigens auch oft: In Zusammenhang von Corporate Blog Aktivitäten haben die Kunden eher den schnellen Gewinn, die schnelle Öffentlichkeit im Blick. Viele denken, klassische PR Arbeit damit gut zu ersetzen. Das Einlassen auf eine neue Erfahrung und neue Ergebnisse, die wiederum eingeordnet und mit anderen Maßnahmen immer wieder abgestimmt werden müssen fehlt oft aus Unkenntnis der Zusammenhänge. Die Akzeptanz für den Aufbau einer qualitative Kommunikationstruktur ist einfach nicht vorhanden. Institutionelle Kultur findet immer in Quantitäten statt. Meß- und Bewertungsinstrumente für eine solche Arbeit sind einfach zu unbekannt und vor allem nicht anerkannt.

    Web 2.0 Aktivitäten abzuschalten ist in jedem Fall falsch. Allerdings glaube ich auch nicht, daß Web 2.0 Aktivitäten allein heilsbringend sind. Es geht um kluges, abgestimmtes Marketing. Alle Beteiligten müssen viel miteinander reden. Überprüfen der richtigen Maßnahme, etc. Vor allem aber ist Marketing ein topographisches Vorgehen mit einem komplexen Setting.

    Im übrigen stimme ich zu, daß Kulturbetriebe oder freie Projekte den Vorteil von vorhandenem Content haben. Und damit meine ich nicht Pressemeldungen. Nur sein Instrument heute im Orchester zu spielen, reicht einfach nicht mehr aus. Ich muß mein Instrument auch in die Kamera halten und erzählen, daß ich mit meiner Geige auch einen Nagel in die Wand schlagen kann. Unternehmen wollen ihre Produkte verkaufen, Künstler können mein Leben verändern (etwas überspitzt). Das ist Content mit Relevanz. Das wird einfach nicht ernst genug genommen.

    1. Prospero

      Über die Vorschläge von dir sollten die Betreffenden vielleicht nochmal nachdenken. Ich frage mich, wie dieses Direktmarketing aussehen wird. Ich weiß es nicht. Ich war ja auch nicht fürs Planen von klassischen Marketingmaßnahmen verantwortlich. Klar, an dich haben wir keine Konzertkarte verkauft – aber wir haben das Interesse geweckt. Du hattest das Thema Duisburger Philharmoniker auf deinem persönlichen Radar und hast sicherlich in den Medien verstärkt hingehört wenn berichtet wurde. Für mich sind damit eindeutig die Ziele erfüllt worden.
      Ja, die Diskussion ist meinungsgeprägt, selbstverständlich. Das ist auch gut so. Und auch mir begegnen noch Leute, die meinen man könne ganz kurzfristig mit ganz viel Social Media viele Leute ins Event holen. Solche Aufträge nehme ich mittlerweile gar nicht erst an, weil die Erfahrung von mir zeigt: Effekte treten erst ab einem Jahr auf, günstigenfalls. Natürlich sind Web2.0-Marktingaktivitäten nicht alleine heilsbringend – ich schrieb auch etwas vom Marketingmix und wir haben bei Dacapo uns auch immer als EIN Mittel zum Zweck verstanden. Ich glaube, das ist auch öfters deutlich klargeworden – auch wenn Frank zu Beginn mal öfters auf dem „Print ist tot“-Zug war. ;-) Sowas ist ja auch immer ein Prozeß.
      Und richtig: Content is King, Context is Queen. Relevance is the Prince.