Es heißt SOCIAL Media, nicht TECHNICAL Media.

Barcamp Kirche 2.0 in Frankfurt: Ein Anfang mit Impulsen

Trust is the Key to Web 2.0
Image by kid.mercury via Flickr

Es war für mich schon früh klar, dass ein Barcamp – meiner Meinung nach die beste Un-Organisatonsform die ich kenne ;-) – zum Thema Kirche ein Pflichtbesuch für mich ist. Nicht nur, weil evangelisch.de die Organisation übernahm. Sondern auch, weil es im Bereich der Kirche momentan so aussieht wie im Bereich der Kultur bevor es das Dacapo-Blog gab. Es gibt einen Haufen von Leuten, die von Social Media begeistert sind und es privat oder dann doch für die Gemeinde nutzen – das sind aber nur Inseln in einem großen Ozean. In der Kultur bilden sich allmählich kleine Kontinente heraus und der Grund dafür ist einfach zu benennen: Das Geld wird knapper und man muss sich überlegen wie man mit diesem knapperem Budget umgeht.

Das sitzt auch der Kirche allgemein im Nacken. Und noch etwas haben beide Bereiche der Gesellschaft gemeinsam: Die Überalterung der Zielgruppe. Jugendliche für Kirchenarbeit zu begeistern, die dann nach der Konfirmation auch in der Kirche bleiben ist ungefähr so erfolgreich wie ein Gesicht von unter 30 in einem klassischem Konzert zu sehen. (Letzteres wandelt sich ja glücklicherweise allmählich, besonders in Duisburg. ;-)) Deswegen ist die Sorge um den Nachwuchs etwas, was beide Welten verbindet. Hinzu kommt dann noch ein Element: Der Medienmix als solches wird von bei Einigen nur als Auswahl zwischen Plakat, Littfassäule, Handzettel oder Anzeige im Gemeindebrief verstanden.

Da ist dann das Bestücken der Homepage, die ja eigentlich eine viel breitere Reichweite hat, zweitrangig, weil das ja dann auch die 50jährige Gemeindesekretärin noch machen müsste, die mit diesem merkwürdigem Internet sonst nichts zu tun haben möchte. Damit möchte ich keinen abwerten, aber die Generationenkluft, die ab 2004 den Bürger zum Brechtschen Gegenkommunikator macht – als Blogs in Deutschland als Chance wahrgenommen wurden Inhalte selbst zu publizieren ohne Chefredakteure als Schnittstellen zu haben – ist durchaus spürbar. Insofern habe ich mich in einigen Diskussionen zwei Jahre zurückversetzt gefühlt. Also vor der Startconference 09. ;-)

Ehrlich gestanden habe ich aus dem Barcamp nun keine für mich großartigen neuen Erkenntnisse herausgezogen was Tools oder praktische Umsetzungen anbelangt – Blogger seit nachweislich 2001, Podcaster seit 2004 ;-) – aber das mag auch daran liegen, dass ich in diesem Jahr schon beim Barcamp Ruhr 3 anwesend war und sich einige Thematiken für mich wiederholten. So die Frage nach der Identität im Web und was man von sich preisgibt oder was man mit RSS-Feeds generell anstellen kann oder auch das Thema Fundraising, was bei Socialbar Ruhr schon mal Thema war – bis auf eine Session von der ich mir definitiv mehr erwartet hatte als nur Tipps wie „Schicken Sie die Pressemeldung nicht einen Tag vorher raus“ oder „Nutzen Sie soziale Netzwerke“ – also bis auf eine Session aber hatte ich keine dabei, die ich als überflüssig empfand.

Es war halt das erste Barcamp im kirchlichen Bereich überhaupt, da kann ich nicht sofort kritisch fundierte Sessions zum Thema „Gender im Web2.0“ erwarten oder dass sich sofort hochwissenschaftliche Expertenthemen einfinden. Aber selbst wenn man das vermisst haben sollte, im nächsten Jahr kann man dann ja mal selbst eine Session anbieten, die dann halt spezifischer auf einzelne Probleme eingeht. Insofern habe ich halt eher die offenen Gesprächsrunden und Diskussionen genossen – und den Digitalen Hirten mal wiederzusehen und einen Teil der Redaktion war auch super. Personal Benefit. ;-) Zudem habe ich einige interessante Leute kennengelernt. Dazu sind Barcamps generell super. Und die Orga und der Ort an sich – toll. Ich meine, wann hat man denn bei einem Barcamp ein Turmzimmer zur Verfügung?

Ich habe zwar einige Sessions mitgeschnitten, die ich nicht online stellen werde weil ich keine schräg abgefilmten Folien selber angucken mag ;-) –  aber mich mit Video-Interviews zurückgehalten und keine gemacht. (Was man mangelnde Initiative nennen könnte, ja, ja, ja. Schon klar.) Doch ums nochmal klar zu sagen: Ich mache zwar auch gerne Videointerviews, aber das ist nicht meine eigentliche Domäne. Wenn Not am Mann ist: Klar, jederzeit. Aber ich sehe mich als Praktiker der Worte und nicht der Bilder. Glücklicherweise aber gibts genug Material vom Barcamp in der Hinsicht. Und in diesem Falle war die persönliche Vernetzung auch wichtiger. Finde ich. Zudem war ich ja privat vor Ort – und ich habe noch keinen Zoom H4 für qualitative Audioaufnahmen. Ihr könnte aber gerne spenden, danke. ;-) Video ist auch immer so zeitintensiv: Schneiden, Exportieren, Hochladen zu Youtube was so an die 3 Stunden dauern kann… Sollte man nicht unterschätzen.

Immer wieder stellte ich an diesen beiden Tagen fest wieviel Glück wir eigentlich in Duisburg haben – das neugierige Experimentieren findet hier ja stadtübergreifend statt und während ich das schreibe ist bestimmt wieder ein neues Projekt im Social Media Bereich hochgezogen worden. ;-) Andererseits sollte aber auch eines klar sein: Social Media muss nicht um jeden Preis in jede Gemeinde passen. Wer mit einer normalen Homepage – gegebenenfalls mit RSS-Feeds – zurande kommt und ab und an einen Emailverteiler benutzt und das 100% klappt braucht weder Twitter, noch Facebook noch Youtube. Deswegen sollte man ja auch generell immer vorher schauen welche Tools man unbedingt braucht und nicht alles bespielen was da geht.

Vor allem schälte sich beim Barcamp für mich heraus, dass wir, die wir momentan Social Media machen und aktiv sind in einem experimentellem Neuland leben. Allmählich ist die Technologie im Mainstream angekommen – die Computerbild erklärt alle Neuerungen von Youtube, wenn ich Twitter oder Facebook im Bekanntenkreis erwähne ernte ich zumindest keine „Was ist das denn?“-Blicke. Ich verwende ungern den Begriff Speerspitze, aber im kirchlichen Bereich ist momentan genau das der Fall. Wir sind was die Kirche anbelangt noch nicht so weit wie die Kultur ebensowenig wie im bibliothekarischen Bereich wo ich als „jung und wild“ gelte nur weil ich Podcasting-Artikel schreibe… Aber das Barcamp in Frankfurt hat erstens gezeigt, dass man nicht allein auf weiter Flur ist mit seinen Problemen – was enorm wichtig ist, weil man sonst nämlich im Alltag desöfteren verzweifeln möchte weil einen ja keiner zu verstehen willens fähig zu sein scheint – zweitens aber auch, dass wir momentan nicht genau definieren können wohin die Reise geht. Das ist bei Social Media auch ungeheuer schwer. Ich weiß nicht ob Twitter ein weiteres Jahr überlebt oder ob die mit Werbung dann alle vergrault haben werden. Vor drei Jahren hätte ich wahrscheinlich auch noch ein Myspace-Profil angelegt für mich persönlich. (Allerdings habe ich um einige Angebote generell einen goßen Bogen gemacht und dass es Second Life immer noch gibt… Nun, jeder Jeck is anders. ;-)) Das Internet ändert sich alle drei Monate.

Aber was wir generell sagen können ist, dass es einen gewaltigen Medienbruch gegeben hat. Dessen Folgen sind noch lange nicht absehbar, bei Weitem nicht – aber er ist da, man kann ihn nicht ignorieren. Und wenn die 50jährige Gemeindesekretärin dieses Internetzeugs nicht mag können wir wenigstens versuchen Schritt für Schritt und nach und nach zu erklären warum Social Media wichtig ist. Denn nur wenn man es ausprobiert kann man es einschätzen.

Ach, dass ich Gründungsmitglied im Verein „Offene Bibel e. V.“ bin war eine rein spontane Entscheidung, die abends bei der Kellerbar-Party fiel. ;-) Und wer meint, dass wir uns nur über ernste Themen unterhalten haben – folgendes Lied lief zum Ende eine Playlist der Party… ;-)

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4 Antworten zu „Barcamp Kirche 2.0 in Frankfurt: Ein Anfang mit Impulsen”.

  1. Kommunikation des Evangeliums via Social Media. Ein Bericht vom Barcamp Kirche 2.0. | ThemaTisch Blog-Community

    […] Ein Anfang mit Impulsen Barcamp […]

  2. Katharina Weyandt

    Sehr interessanter Bericht, im Unterschied zu den anderen von einem erfahrenen Barcamper. Dann bis nächstes Jahr!

  3. fünfzigplus

    auch über 50-jährige können mit neune medien umgehen; schaue mal deine MA an, schönen gruss an meinen sohnemann

    1. Prospero

      Ich hätte vielleicht sofort dazuschreiben sollen, dass das Beispiel mit der Gemeindesekretärin direkt aus der Runde kam und nicht originär von mir. Ich weiß ja, dass es sehr fitte „Silver Surfer“ gibt – und bin stolz auf dich, Mutter. ;-)