Mit welcher Hybris sind wir Menschen eigentlich gesegnet, dass wir als Einzelpersonen entscheiden wollen was für Andere relevant oder nicht relevant ist?
„Wir müssen relevanter werden“ scheint das inoffizielle Motto des Januars 2014 zu sein; überall wird heftig darüber debattiert was denn nun „relevant“ ist oder sein soll. Der Eine glaubt, das Internet sei nicht mehr relevant für seine Ideen, der Andere wiederum denkt Unternehmensblogs seien unrelevant und dieser Internetdienst da, der hat doch keine Relevanz für die Masse, nein, das sei doch Nische und damit müsse man sich nicht beschäftigen. Aber was ist denn eine Relevanz eigentlich? Relevanz, lehrt die Wikipedia – und die muss das ja alles richtig wissen – sei „eine Bezeichnung für die Bedeutsamkeit oder Wichtigkeit, die jemand etwas in einem bestimmten Zusammenhang beimisse.“ Aha!
Schlussendlich: Wenn wir in Sozialen Netzwerken oder Marketing davon reden, dass etwas „kundenrelevant“ sein müsse, müssten wir eigentlich unser Scheitern eingestehen. Ich weiß ja auch nicht ob der Leser diese Artikels diesen für sich als relevant einstuft – und ich kann diese Relevanz auch nicht planen. Ich kann – und daran sollte man sich erinnern – zwar vermuten was relevant sein könnte. Dazu kann ich Zahlen heranziehen, Erfahrungswerte, kann Personen befragen, kann versuchen meine Zielgruppe einzuschätzen. Ich kann versuchen eine gewisse Empathie zu entwickeln. Ich kann mich einfühlen in das, was die Leser von diesem Blog wollen, ja, das kann ich. Empathie aber ist mehr als „kundenrelevant“ zu sein. Empathie ist Fingerspitzengefühl, ist Bauch, ist vielleicht etwas Wissen, ist ein Hauch von Geist. Wenn ich „kundenrelevante Inhalte“ schaffen möchte kann ich natürlich Feedbackfragebögen verteilen und mir Statistiken anschauen. Ob ich damit richtig liege oder nicht, kann ich letzten Endes nicht ganz genau wissen – aber ich kann versuchen, mich annäherungsweise zu nähern. Und das wird bei der Diskussion leider vergessen. Relevanz liegt im Auge des Betrachters.
Und bye the way: Sich nur an der Relevanz zu orientieren kann manchmal auch verkehrt sein. Das Zitat von Henry Ford, der auf die Frage was seine Kunden denn gewünscht hätten antwortete, diese hätten schnellere Pferde verlangt statt des Automobils weist ganz genau wie Steve Jobs Anspruch, dass der Kunde manchmal das bekomme, was er sich nicht gewünscht habe weisen auf diese Gefahr hin. Orientiere ich mich nur an Inhalten, die Kunden gut finden lande ich schnell in einem Beliebigkeitsstrom. So wie Kulturinstitutionen Angst vor der Boulevardisierung haben können in etwa. Letzten Endes muss auch hier eine Balance gefunden werden, was nicht so einfach ist und wofür es leider keine wunderbare 5-Punkte-die-einen-garantiert-was-bringen-Liste gibt. Relevanz, so weh uns das auch tut, liegt nur dann in unserem Auge wenn wir sie für uns definieren. Und wir sind nicht Der Andere. Sind nicht das Gegenüber, das Relevanz anders wahrnimmt oder versteht. Daher: Falls das nächste Mal wieder jemand von „Relevanz“ in einer Diskussion daherplappert – einmal tief durchatmen und an Watzlawick denken. Hilft.
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